“That may be Japanese law … but not in my country!” Marriage, Divorce and Private International Law in Giacomo Puccini’s Madama Butterfly
Abstract
Madama Butterfly ist eine der berühmtesten Opern Giacomo Puccinis. Sie spielt im Jahr 1904 in Japan und handelt von einer tragischen Liebesgeschichte zwischen B.F. Pinkerton, einem Offizier der amerikanischen Marine, und Cio-cio-san (auch Madama Butterfly genannt), einer jungen japanischen Frau aus Nagasaki.
Das aus der Feder von Giacosa und Illica stammende Libretto, von denen einer zufällig ein Jurist war, ist aus juristischer Perspektive höchst interessant, denn es spricht eine Reihe von Rechtsfragen an. Das zentrale Thema der Oper ist die Heirat zwischen dem Offizier und der japanischen Frau. Es stellt sich die Frage, welches nationale Recht auf die Eheschließung (einschließlich deren formale Voraussetzungen) und die Ehe selber Anwendung findet, und insbesondere ob Pinkerton das Recht hatte, sich von seiner Ehefrau dadurch im Sinne einer einseitigen Scheidung zu trennen, dass er das gemeinsame Haus verließ. Dies war nach seinem Verständnis nach japanischem Recht zulässig (nicht aber nach dem Recht der USA). Die Oper geht von der rechtlichen Zulässigkeit seiner Handlung aus, die juristische Analyse legt demgegenüber eine andere Schlussfolgerung nahe.
Der Beitrag untersucht die in der Oper angesprochenen rechtlichen Fragen aus der Sicht des im Jahr 1904 anwendbaren japanischen Rechts. Einschlägig sind insbesondere das Zivilgesetz von 1898 (Minpō), das Rechtsanwendungsgesetz (Hōrei) und das Staatsangehörigkeitsgesetz (Kokuseki-hō). Die Geschichte von Pinkerton und Butterfly wird aus der Perspektive dieser gesetzlichen Regelungen analysiert, um Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: War die Eheschließung wirksam? Welches Recht regelte die Ehefolgen? Und, vor allem, gab das im Jahr 1904 geltende Recht dem Ehemann die Möglichkeit einer einseitigen Scheidung durch das Verlassen seiner Ehefrau entgegen deren Willen? Zur Beantwortung dieser Fragen bezieht sich die Untersuchung auf die italienische Originalpartitur (wobei englische Übersetzungen beigefügt werden).
Zusätzlich zu dieser rechtlichen Analyse des Librettos bietet der Beitrag einen eigenständigen Zugang zu dem bekannten Thema der Modernisierung des Rechts in Japan. Generationen von Rechtsvergleichern haben die Reformen der Meiji-Zeit untersucht und sich dabei meist einer historischen oder rechtstechnischen Perspektive bedient. Werke wie Madama Butterfly sind faszinierende Belege dafür, wie Europäer Japan seinerzeit betrachteten. Auch wenn diese Werke naturgemäß unter großen Ungenauigkeiten leiden, so bilden sie doch wirkmächtige kulturelle Instrumente, die das Potential haben, Wahrnehmungen, (Miss)Verständnisse und Stereotypen über Japan maßgeblich zu beeinflussen. Aus rechtlicher Sicht stellt die Meiji-Restauration ein einmaliges Ereignis in der Rechtsgeschichte dar: Kein anderes Land hat es vermocht, sein Rechtssystem derart rasch zu modernisieren. Entsprechend ist Japan von Generationen von Rechtsvergleichern als ein herausragendes Studienobjekt angesehen worden. Die Lektüre von Romanen, Theaterstücken und Operntexten, die sich mit der dramatischen und umstrittenen Periode der Meiji-Erneuerung befassen, erlaubt uns, diese Ereignisse in einem neuen Licht zu sehen.
Die Untersuchung möchte zugleich einen Beitrag zu der Entwicklung von „Studien über Recht und Literatur“ (oder „Recht in der Literatur“ , wie es teilweise heißt) über Japan leisten. Dieser methodische Ansatz ist in Europa und den USA bereits verbreitet und entwickelt, aber mit Bezug auf Japan lässt sich dies noch nicht sagen.
(Die Redaktion)